Martin Amanshauser

Mit und ohne Omega-3-Talk

Ein ladinisches Tal, bisher nur fürs Schifahren bekannt, erreicht mit einfachen Mitteln kulinarische Höhepunkte.

Alta Badia, was ist das? Irgendwie scheinen nur Schifans den Begriff zu kennen. Er steht für eine Winterregion mit einem populären Weltcuprennen im Dezember, aber auch ganz simpel für einen Teil des Südtiroler Gadertals. Links und rechts – man möchte fast sagen in allen vier Richtungen – ragen die Dolomiten nach oben, und “unten” liegen zwischen 1300 und 1700 Metern die sechs Dörfchen Badia, La Val, La Villa, San Cassiano, Corvara und Colfosco, die auf Deutsch, Italienisch und der regionalen Hauptsprache Ladinisch insgesamt 18 Namen tragen. Alta Badia, das ist alles zusammen. Ein Ortstafelparadies ohne Ortstafelstreit! Alta Badia ist aber nicht nur ein Marketingsbegriff, sondern auch die sinnvolle Bezeichnung einer Gegend, in der kaum 6.000 Menschen leben. Sie ist inzwischen nicht nur in der Wintersaison lebendig, sondern lädt zum Wandern und allen damit verbundenen Modesportarten ein, aber das wissen bisher nur die Süd- und Mittelitaliener, die den Großteil des Tourismus bestreiten.

Unter den plumpen, wilden Dolomitenköpfen wie dem Heiligkreuzkofel (2.908) oder dem Piz Boè (3.152) treffen sich die Aufstiegshilfen – die wichtigsten fahren jahrüber – auf einem Kamm, der zu weitläufigen Wanderungen zwischen den Hütten einlädt. Das machte sich das lokale Fremdenverkehrsbüro zugute und zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität eine Wintersportregion 12 Monate in Bewegung halten kann.

Die Kampagne “Aufstieg mit Genuss” hat 8 Spitzenköche versammelt, um auf den Hütten je ein Gourmetgericht zu erfinden, das neben der regulären Kost angeboten wird. Einer der Köche, die nach Alta Badia geholt werden, ist der Münchner Spitzenkoch Bobby Bräuer, der eigentlich im Petit Tirolia in Kitzbühel arbeitet. Für ihn spielen die lokalen Zutaten die Hauptrolle, hier hat er mit Südtiroler Honig eine Speise namens „Schafweichkäse im Spreckmantel mit Berghonig“ erfunden, zu der er einen Südtiroler Sauvignon Blanc empfiehlt. Es gibt sie auf der Ütia Pralongià, der Pralongià-Hüte auf 2.157 Metern, mit ihrem atemberaubenden 360-Grad-Panorama. Mit dabei ist natürlich auch Lokalmatador Norbert Niederkofler, Zweisternkoch von St. Hubertus, der auf der Ütia Bioch, von der aus man dem Gletscher Marmolada ins Wohnzimmer schauen kann, Südtiroler Speck als Basis für seine „Tortelli gefüllt mit Paté vom Speck und Büffelricotta auf Risina Bohnen-Fond und Aceto Balsamico“ verwendet, ein komplizierter Zauberspruch für ein ausgezeichnetes Teigtaschengericht.

Nach der lokalen Gerstensuppe („Panicia“) gehören auch im Tal runde, frittierte oder kleine oder große Teigtaschen zur traditionellen Küche, wie sie etwa im Runch-Hof hergerichtet werden – gefüllt mir Spinat, Ricotta, Mohn oder Sauerkraut. Was früher jede Hausfrau konnte, ist nun Programm der Familie Nagler, die ein fixes Menü anbietet. Es bringt die kulinarischen Besonderheiten der Dolomiten, über Generationen weitergegeben, gut zum Ausdruck.

Personifizierter Hüter der Vergangenheit ist allerdings ein Mann namens Tone Piccolruaz. Er bewohnt mit seiner Familie das älteste Gebäude, den 700 Jahre alten Alfarëi-Hof, „römischen Stils“. Das heißt vor allem: viel Holz, das in Jahrhunderten seine Stabilität bewiesen hat. Dieser Hof ist nicht nur ein historisches Denkmal, sondern auch ein lebendiges Gebilde. Die Familie, die seit zwanzig Jahren in einem Neubau wohnt, produziert landwirtschaftliche Güter, die noch schmecken, wie sie schmecken sollen. Der Speck wird natürlich in der Kammer im Altgebäude ausgehängt. Er stammt von einem einzigen Schwein, das Februar gekauft und aufgefettet wird.

Und Käse? Wird in Alta Badia natürlich auch produziert. Der Bauernhof Lüch da Pcëi in San Cassiano ist wohl ebenso für seine Milch bekannt, die die französische „Bleu-Blanc-Coeur“ Auszeichnung erhalten hat – als erster Betrieb in Südtirol. Was wie ein Witz klingt, ist die purste Wahrheit, die Milch hat einen hohen Anteil von Omega-3-Fettsäuren. Lorenzo, der Käser, erklärt die verschiedenen Stufen bei der Produktion des hauseigenen Käses. Die Furchen in seinem Gesicht zeigen, er macht Käse schon seit Jahrzehnten, und dieser Mann ist natürlich auch immun gegen den modischen Omega-3-Talk. Er spricht von der Fermentierung, vom Salzbad und vom anschließenden monatelangen Ruhen des Käses, und wenn es einen Menschen auf der Welt gibt, von dem man seinen Käse produzieren lassen will, dann ist das definitiv Lorenzo.

Infos: Tourismusverband Alta Badia – www.altabadia.org, Str. Col Alt 36, I-39033 Corvara (BZ), Tel. +39 (0)471 847037 - +39 (0)471 836176

Unterkunft:

Hotel Ciasa Antines, Str. Picenin 18, La Villa, www.hotelantines.it

Hütten, u.a.: Ütia Pralongià (Bobby Bräuer), www.pralongia.it, und Ütia Bioch, (Norbert Niederkofler), www.fornata.it, Jimmy Hütte (am Grödner Joch)

Alfarëi-Hof, Str. Alfarëi 7, Badia.

Runch Hof, Str. Runch 11, Badia (BZ)

Lüch da Pcëi, Str. Pecei 17, San Cassiano, www.altabadialat.it